Lowe |
Verfasst am: 19. Apr 2009 23:47 Titel: |
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siehe hier http://www.gottwein.de/Lat/catull/catull001.php und hier http://www.grin.com/e-book/25279/carmen-1-catulls-widmungs-und-programmgedicht# (Seminararbeit, für 5,99 Euro als Download zu kaufen) und hier: Das Widmungsgedicht, das vermutlich auf der Außenseite der Buchrolle angebracht war, strotzt vor Termini technici der alexandrinischen Poetik. Den Eröffnungsvers könnte man geradezu als Merkvers für die Prinzipien der alexandrinischen Dichtkunst auffassen. Catulls Werk ist ‚nett’, lepidus. Hinter dem umgangssprachlichen Wort lepidus, das für den römischen Hörer genau so abgegriffen klingt wie das deutsche ‚nett’, hört der gebildete Leser natürlich das programmatische Epitheton par excellence der Alexandriner: λεπτός, ‚fein’, ‚zart’. Dichter der alexandrinischen Ausrichtung wollen keine schwerfälligen, unüberschaubaren Werke produzieren, sondern kleine, feine, zarte Gebilde, eben libelli, ‚Büchlein’, die Neues enthalten müssen. Sie verlassen die breit getretenen, vielfach begangenen Pfade der Poesie. Lukrez, im Proömium des 4. Buchs seines epikureischen Lehrgedichts (1f.), erhebt für sein Werk denselben Anspruch: Pegasus-Onlinezeitschrift VIII/1 (2008), 48 Linie Avia Pieridum peragro loca nullius ante Trita solo. Weglose Gefilde der Musen, zuvor von keines Menschen Fuß betreten, durchstreife ich. Bescheiden ist der Ton des Eröffnungsverses, die Verniedlichung und Verkleinerung des eigenen Werkes, allerdings nur an der Textoberfläche; tatsächlich gibt Catull selbstbewusst die poetische Tradition an, in die er sich mit seinem Büchlein einreihen will. Für den Kenner griechischer Literatur – und für solch ein Publikum schrieb Catull – enthält der Vers zudem einen deutlichen Anklang auf die Eröffnungspartie der Gedichtsammlung des Meleagros, die um 70 v. Chr. erschien und deren genaue Kenntnis Catull voraussetzt. Liebe Muse, wem bringst du den Korb voll köstlicher Lieder? Sprich, wer flocht diese Schar herrlicher Sänger zum Kranz? Wirker war Meleagros; dem edlen Diokles weihte Er dies traute Geschenk, dass es Erinnerung sei. (Übersetzung: H. Beckby, München 1957/58; 21965/67) Catull evoziert also die griechische Vorlage, durchbricht aber das vorgegebene Widmungsschema. „Bei Meleager handelt es sich um das Proömium einer Sammlung, die überwiegend fremde und nur wenig eigene Gedichte enthält. Die Namen der einzelnen Dichter werden in gewählter Blumen- und Blüten-Metaphorik so ausführlich aufgezählt, dass fast der Eindruck des ψυχρόν entsteht. Dementsprechend tritt Meleager als Person, von Anfang und Ende des Gedichts abgesehen, völlig zurück. Ebenso wird der Empfänger der Widmung, Diokles, nur kurz zu Beginn des 58 Verse umfassenden Gedichts erwähnt. Ganz anders Catull: Sein Proömium hat lediglich 10 Verse, und von diesen beziehen sich je 5 auf Catull (1-2, 8-10) und auf Nepos (3-7). Catull umarmt mit der Darstellung seiner Problematik sozusagen den Freund, er nimmt ihn in die eigene Welt mit hinein. Wenn der Leser daraus schließen sollte, dass die nachfolgende Sammlung ganz wesentlich Gedichte aus dem Freundeskreis enthalte, hat er recht. Catull hat, wie es später Properz tun wird, die artifizielle Vorlage persönlicher gewendet.“(18) Hat der Dichter im Eröffnungsvers als poeta doctus den ebenso literarisch gebildeten Leser auf die Spur hellenistischer Poetik gesetzt, erhält für diesen lector doctus auch der zweite Vers eine poetologische Dimension. Das Büchlein ist ‚druckfrisch’, gerade erst mit trockenem Bimsstein geglättet, arida modo pumice expolitum. Expolire, ‚glätten’, bedeutet in übertragenem Sinn auch das Feilen, die mühevolle Kleinarbeit, die der alexandrinische Autor in seine libelli steckt, der labor limae des Horaz (Ars poetica 291),(19) die Griechen sprechen von πόνος und ἐκπονεῖσθαι. Ein feiner Witz mag in aridus, dem Epitheton des Bimsstein, stecken. Das Adjektiv wird ebenfalls literaturkritisch verwendet, und zwar im Sine von ‚trocken’, ‚saftlos’, ‚ohne Schwung’.(20) Nicht das Büchlein, verspricht Catull, wird trocken sein, sondern nur das Gerät, mit dem seine materielle Grundlage, die Papyrusbögen, hergestellt wurde. Cornelius Nepos, dem Catull das Büchlein widmet, ist der würdige Adressat, da Nepos’ Werk allen Grundsätzen alexandrinischer Poetik entspricht. Seine Chronik ist gelehrt und steckt voller Arbeit. Wie ein der alexandrinischen Poetik verpflichteter Dicher wagte es Nepos, neue Wege zu gehen, und es ist ihm gelungen, die ungeheuere Masse an Fakten, Ereignissen und Personen der Weltgeschichte (omne aevum) in nur drei Bänden darzustellen. Im Verhältnis zum behandelten Stoff könnte man Nepos’ Chronik geradezu als libellus bezeichnen! In den ersten sieben Versen des kurzen Widmungsgedichts spricht der Dichter in leicht verschlüsselter und verspielter Form – auch dies ist ja ein Merkmal hellenistischer Poesie – die Grundprinzipien der alexandrinischen Poetik an: der Primat der literarischen Qualität (lepidus), die durch ständiges Feilen am Text gewährleistet wird (expolire, laboriosus), der Anspruch, neue Wege einzuschlagen und mit der Tradition zu brechen (novus, ausus es unus), die Ablehnung der großen, traditionellen Gattungen, die in dem Diminutiv libellus zum Ausdruck kommt, die Gelehrsamkeit, die sich vor allem in der Bezugnahme auf frühere und zeitgenössische Texte äußert – hier ist es das Widmungsgedicht von Meleagers Kranz –, schließlich der spielerische Ton, aufgrund dessen der Dichter in selbstironischer Bescheidenheit seine Gedichte nugae (1, 4), ineptiae (14, 24) oder lusus (50, 2) nennt. Wenn diese jedoch auf einen gleichgestimmten und gleich gebildeten Leser wie Nepos treffen, wird der merken, dass es sich dabei um etwas Gescheites (aliquid) handelt. Mit Nepos als implizitem Leser wird jeder künftige Leser des Büchleins aufgefordert, wie Nepos die Kriterien alexandrinischer Poetik an die Gedichte anzulegen, und dann wird ihm – so die Schlussfolgerung, die Catull nahe legt – nichts anderes übrig bleiben, als die literarische Qualität anzuerkennen. Das Gedicht endet mit einem Anruf der Muse, der Schutzherrin der Dichter, und der Bitte, Catulls Büchlein möge die Zeiten überdauern, für immer Bestand haben – für den lector doctus eine Anspielung auf das Proömium der Aitia des Kallimachos (Fr. 7, 13f. Pfeiffer). Die Muse ist also nicht mehr Quelle der Inspiration, es sind auch nicht Hesiod oder Homer, die dem Dichter im Traum erscheinen und ihn zur poetischen Tätigkeit berufen, vielmehr ist die patrona virgo nur die Garantin für eine möglichst lange Existenz des Werkes. Der Dichter erklärt sich in den beiden Abschlussversen zu einer autonomen Persönlichkeit, die ihre Kunst nur sich selbst, keiner übergeordneten Macht, der Muse, oder Autorität, den Vätern der Dichtkunst, Homer und Hesiod, verdankt. Er nimmt für sich in Anspruch, autonom, unabhängig von allem Äußeren zu sein. Erst vor dem Hintergrund der Einstellung der Römer zur Literatur erhält dieser Anspruch seine eigentliche Brisanz. Das sich harmlos gebende Widmungsgedicht wird geradezu zu einem provokanten Tabubruch. Für einen Römer, zumal für einen aus der Oberschicht, ist literarische Tätigkeit nur im otium, in den karg bemessenen Ruhephasen nach den negotia der Politik und der Geschäfte, gesellschaftlich vertretbar. Damit das otium zu einem otium cum dignitate, also einem der gesellschaftlichen Stellung angemessenen otium, wird, ist jedoch nicht das Abfassen jeder Art von Literatur erlaubt, vielmehr nur solcher Texte, die ‚staatstragend’ sind, die einen Bezug auf die res publica Romana aufweisen: also von mythologisch-historischen Epen, von Historiographie, von politischen Reden oder Gerichtsreden und von nützlicher Fachliteratur, wie dies Cato mit seinem Werk über den Ackerbau (De agricultura) getan hatte. Dass Catull sein Werk nugae, an späterer Stelle ineptiae und lusus bezeichnet, also „Spielereien“ oder „Tändeleien“, muss auf einen dem mos maiorum verpflichteten, traditionsbewussten Römer wie Cicero schockierend gewirkt haben – man denke an seine abfällige Kritik der Neoteriker –, was nicht bedeutet, dass diese Ablehnung ein Zeichen mangelnder Bildung ist; nein, Poesie, nugae, sollte nicht von Römern, sondern von Graeculi, von Meleager oder freigelassenen Sklaven wie Parthenios betrieben werden. Das ganze Gedicht ist, abgesehen von den Abschlussversen, denen ja auch eine besondere Bedeutung zukommt, in einem plaudernden Ton, durchsetzt mit Elementen der Umgangssprache, geschrieben. Und auch dies ist Programm: Der kolloquiale Stil bewirkt, dass das Widmungsgedicht wie der gesamte libellus keineswegs trocken wirkt, und dies trotz der literarischen Finesse und der Gelehrsamkeit. Gleichzeitig wird der Adressat, Cornelius Nepos, als impliziter Leser in einen plaudernden Dialog mit Catulls Gedichten gebracht, er wird Teil des Dichterkreises, in dem in urbanem Stil über Dichtung und das Leben der Dichter in all seinen Verästelungen gesprochen wird, nicht in ernsthaftem, sondern ironisch gefärbtem Ton, wie man sich unter Gleichgesinnten über die Welt zu unterhalten und vor allem sich über sie lustig zu machen pflegt. (aus Pegasus online Zeitschrift, s.o.) Gruß Lowe Ich habe übrigens bei Google nur Sekunden gebraucht um diese Ergebnisse zu finden. |
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